Editorial 05/06-23

Liebe Weinwisser,


Sie halten eine ganz besondere Ausgabe des WEINWISSERS in der Hand. Denn der Bordeaux-Jahrgang 2022 wird in vielerlei Hinsicht als legendäres Jahr in die Geschichte eingehen. Und deshalb umfasst diese Ausgabe ganze 40 Seiten mit komprimierten Inhalten: mit einer ausführlichen Jahrgangsanalyse, umfassenden und präzisen Verkostungsnotizen und Top-Empfehlungen nach Preisklassen, in die Tiefe gehenden Interviews sowie zahlreichen spannenden Hintergrundgeschichten.


Denn wir setzen trotz der von mir vorangetriebenen Rundumerneuerung des WEINWISSERS weiterhin strikt auf unabhängigen und kompetenten Content statt auf großflächige Bilderreihen mit weniger fundierten Inhalten. Bei einem bilddominanten Layout kämen wir locker auf 80 bis 100 Seiten pro Ausgabe.


2022 ist ein Jahrgang des Paradoxons: Denn nach großer Hitze und anhaltender Trockenheit erwarteten die Bordeaux-Winzer vieles, aber ganz sicher nicht einen solchen Traumjahrgang. Auch sie selbst können sich diese Frische kaum erklären!


Wie das größtenteils herausragende Resultat trotz großer Hitze und Trockenheit zu erklären ist, habe ich in der ausführlichen Jahrgangsanalyse für Sie in fünf Thesen zusammengefasst.

 

Schlagworte sind hierbei die Resilienz der Rebe und das bessere Know-how der Winzer im Umgang mit heißen und trockenen Jahrgängen. Auch in die Weinbergsarbeit wurde in Bordeaux in den vergangenen beiden Jahrzehnten ungemein viel investiert und immer mehr Châteaux gehen zur biologischen und biodynamischen Bewirtschaftung über (siehe mein Exklusivinterview mit Nicolas Glumineau von Pichon Comtesse auf den Seiten 4 und 5).


2022 war ein technisch anspruchsvolles Jahr: Kleine Trauben mit dicker Schale als Ergebnis der natürlichen Konzentration am Stock. Es gab wenig oder gar keinen Spielraum für Fehler. Darauf gehe ich in der Jahrgangsanalyse näher ein. Daraus hat auch kaum einer einen Hehl gemacht. Ich bereise Bordeaux seit nunmehr 15 Jahren, generell kann ich nach sieben Jahren intensiver «en primeur»-Verkostungen sagen, dass man hier eine vergleichsweise offene und professionelle Kommunikation betreibt und nicht – wie oft anderswo – jedes Jahr aufs Neue alles schön redet

Thomas Duroux, Direktor von Château Palmer, fasste es so griffig zusammen: «Wir befürchteten gekochte Weine, aber am Ende hat das Terroir gegenüber dem Klima gewonnen.»

Wie auch in 2019 und 2020 – im Nachhinein wie von uns vorhergesehen lohnende Investments – sprechen wir für 2022 ebenfalls ein starkes Kaufvotum aus. Aber unter Vorbehalt maßvoller Preise. Denn wer einen zu kräftigen Schluck aus der Pulle nimmt, kann sich schnell verschlucken – wie etwa bei Angélus. Sie erhöhten um 30 %, doch wie aus Händlerkreisen zu hören ist, reagierte der Markt darauf sehr verhalten. Cheval Blanc, mit 20/20 einer der Top-Stars, ging trotz des Aufschlags von 20,5 % wie warme Semmeln über die Theke. Die Kampagne scheint aber bisher kein Selbstläufer zu sein.


Schauen Sie sich aber unsere Top-Empfehlungen aus allen Preisbereichen an. Denn Bordeaux muss nicht teuer sein. Deswegen erhalten Sie von uns, wo immer angezeigt, in den Notizen selbst besondere Kaufempfehlungen. Zudem gibt es – für Sie als Abonnent schon seit Wochen in der Datenbank – eine «HOT-BUY»-Liste.


Jetzt wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen und viele genussvolle und sonnige Momente

 

Giuseppe Lauria

Chefredakteur WEINWISSER